Kunstgeschichte: Realismus

Realismus Kunstgeschichte Einführung Künstler

Der Realismus ist eine Kunstrichtung, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa entstand und sich gegen die Darstellungen des Klassizismus und der Romantik wandte. Die Aneignung der Wirklichkeit durch den Künstler und ihre darauffolgende Transformation in ein Kunstwerk sowie ihre politische Konnotation sind charakteristisch für den Realismus. In diesem Artikel werden wir einen Überblick über die Epoche des Realismus in der Kunstgeschichte geben und die bedeutendsten Künstler dieser Zeit vorstellen.

1. Grundlagen des Realismus

1.1. Neue Themen und Motive in der Kunst

Im Realismus wurden neue Themen und Motive in der Kunst eingeführt:

  • Die soziale und gesellschaftliche Realität wurde darstellungswürdig.
  • Die bäuerliche und industrielle Arbeit sowie die industrielle Revolution wurden thematisiert.
  • Alle sozialen Gruppen, auch die "einfachen" Menschen, wurden dargestellt: Bauern, Arbeiter, Bürger und, als Provokation, auch Prostituierte (Courbet).
  • Die alltäglichen Situationen des Lebens wurden nun bildwürdig.
  • Die Darstellung des Landlebens führte zur Freiluftmalerei und hin zum Impressionismus (Die Schule von Barbizon).

1.2. Realismus und Naturalismus

  • Realismus: Stilrichtung des 19. Jahrhunderts, die in Frankreich entstand (Courbet, Millet). Der inhaltliche Aspekt (Thema, Motiv) ist hier von zentraler Bedeutung.
  • Naturalismus: formal sachliche Darstellungsweise (Leibl). Auch Leibl und Menzel werden dem Realismus zugeordnet, da sie inhaltlich dem französischen Pendant entsprechen. Ihre Darstellungsweisen reichen von naturalistisch (Leibl) bis hin zu impressionistisch (Menzel).
  • Weitere Formen des Realismus: Sozialistischer Realismus, Fotorealismus, Neuer Realismus , Leipziger Schule.

2. Entstehung des Realismus

Der Realismus entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa und entwickelte sich als Reaktion auf die vorherrschenden Kunstrichtungen des Klassizismus und der Romantik. In Frankreich war der Maler Gustave Courbet (1819-1877) der bekannteste Vertreter dieser neuen Kunstauffassung. Courbet, der sich den damals noch sehr unscharf und ungenau definierten Begriff der realistischen Kunst aneignete, machte den Realismus zu seinem Programm. Anlässlich der Weltausstellung von 1855 in Paris zeigte er eine Auswahl seiner Werke in einem Pavillon, über dessen Eingang er ein Schild angebracht hatte: „Le Realisme“. Der Begriff Realismus wurde erst in den 1850er Jahren auf die bildende Kunst übertragen.

3. Französischer Realismus des 19. Jahrhunderts

3.1. Gustave Courbet

Gustave Courbet war der bekannteste Vertreter des französischen Realismus. Courbet wollte lebendige Kunst schaffen, die aus der Kenntnis der (künstlerischen) Tradition und seiner eigenen Individualität schöpfend die Sitten, Gedanken und Erscheinungen seiner Epoche nach seiner eigenen Einschätzung übersetzte. Seine Werke, wie "Die Steineklopfer" (1849) und "Ein Begräbnis in Ornans" (1850), wirkten prägend auf den Begriff Realismus. Sie zeigten das harte Leben der einfachen Bevölkerungsschichten und waren politisch und sozial engagiert.

3.2. Jean-François Millet

Ein weiterer wichtiger Vertreter des französischen Realismus war der Maler Jean-François Millet (1814-1875). Millet widmete sich ebenfalls kritischen Bildthemen, indem er zahlreiche Darstellungen von Landarbeitern und Besitzlosen schuf. Sein bekanntestes Werk, "Der Mann mit der Hacke" (1861-1862), wurde jedoch von ihm nicht als sozialistische Interpretation verstanden.

3.3. Weitere Vertreter

Neben Courbet und Millet lassen sich auch Künstler wie Constant Troyon und Charles-François Daubigny als Realisten im kunsthistorischen Sinn bezeichnen.

4. Deutscher Realismus des 19. Jahrhunderts

4.1. Adolph Menzel

Adolph Menzel gilt als wichtigster deutscher Vertreter des Realismus. Neben realistischen Historienwerken erhob er die Wirklichkeit verschiedener gesellschaftlicher Schichten wie im "Eisenwalzwerk" (1875) zum Bildsujet.

4.2. Wilhelm Leibl

Der deutsche Maler Wilhelm Leibl (1844-1900) war ebenfalls ein bedeutender Vertreter des Realismus. Er stand unter dem Einfluss von Courbet und entwickelte einen präzisen, naturalistischen Malstil. Seine späteren Arbeiten leiten nicht nur zum Naturalismus über, sondern auch zum Impressionismus.

4.3. Weitere Vertreter

Auch Künstler wie Carl Blechen, Ludwig Knaus, Franz von Defregger, Hans Thoma und Heiner Altmeppen gehören zu den Vertretern des deutschen Realismus.

5. Kritik am Realismus

Die Kritik am Realismus richtete sich vor allem gegen die mimetische Nachahmung der Natur. Schriftsteller wie Friedrich Schiller kritisierten, dass der Realismus das Erkennen eines Gegenstands behindere. Dementsprechend wurde die Fotografie, die oft als realistisches Medium angesehen wurde, ebenfalls kritisiert. Auch Schriftsteller wie Goethe äußerten sich kritisch gegenüber dem Realismus.

6. Tendenzen des Realismus im 20. Jahrhundert

6.1. Neue Sachlichkeit

Die Neue Sachlichkeit war eine Gegenbewegung zum Abstrakten Expressionismus und zum Informel, die sich Ende der 1950er Jahre entwickelte. Zu ihren Vertretern zählten Künstler wie Otto Dix, Karl Hubbuch, Georg Schrimpf, Richard Oelze und Christian Schad.

6.2. American Scene

Die American Scene war eine in den USA entstandene realistische Kunstrichtung der 1920er und 1930er Jahre, die den "American way of life" möglichst wirklichkeitsnah erfassen wollte. Zu ihren Vertretern zählten Künstler wie Edward Hopper, Georgia O'Keeffe, Charles Sheeler und Grant Wood.

6.3. Sozialistischer Realismus

Der Sozialistische Realismus war eine in der Sowjetunion nach 1930 entstandene Kunstrichtung, die die Kunst in den Dienst der stalinistischen Gesellschaftstheorie stellte. Wichtige Vertreter des russischen und deutschen Sozialistischen Realismus waren Alexander Michailowitsch Gerassimow, Alexander Alexandrowitsch Deineka und Willi Sitte.

6.4. Neuer Realismus

Der Neue Realismus war eine sich Ende der 1950er Jahre entwickelnde Gegenbewegung zum Abstrakten Expressionismus und zum Informel. Zu den Künstlern des Neuen Realismus zählen Dieter Asmus, Peter Nagel, Dietmar Ullrich, Nikolaus Störtenbecker und Karlheinz Biederbick.

7. Tendenzen des 21. Jahrhunderts

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts machen sich verstärkt neue realistische Tendenzen in der deutschen Malerei bemerkbar. In Anlehnung an die alte „Leipziger Schule“ der DDR-Kunst werden sie als so genannte „Neue Leipziger Schule“ exemplarisch von den an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) lehrenden oder ausgebildeten Künstlern Arno Rink, Neo Rauch, Tim Eitel, Aris Kalaizis, Tilo Baumgärtel und Mathias Perlet vertreten.

Seit 1990 gibt es den Künstlersonderbund in Deutschland e. V. für Realismus der Gegenwart, dem einige realistisch arbeitende Künstler angehören.

8. Fazit

Der Realismus in der Kunstgeschichte war eine bedeutende Epoche, die sich durch das Streben nach einer möglichst wirklichkeitsnahen Darstellung der Wirklichkeit auszeichnete. Künstler wie Gustave Courbet, Jean-François Millet, Adolph Menzel und Wilhelm Leibl prägten diese Kunstrichtung maßgeblich. Die verschiedenen Tendenzen des Realismus im 20. und 21. Jahrhundert zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und deren Darstellung in der Kunst bis heute eine wichtige Rolle spielt.



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